Es war doch eigentlich wie immer: Abwatscht und mit eingekniffenem Schwanz kehrt der FC Bayern München von einem Europapokalabend nach hause. Dabei ist diese Chancenlosigkeit und Ohnmacht die einen befällt nichts neues – ganz im Gegenteil – inzwischen müsste sich der Rekordmeister daran gewöhnt haben.
Nämlich vor ca. 3 Jahren ist der FCB ähnlich schlimm verhauen worden, wie gestern in Barcelona, schon im Achtelfinale der Champions League gegen den AC Mailand. Nach einem durchwachsenen 1:1 im Hinspiel ging der deutsche Vorzeigeverein sang- und klanglos mit 1:4 im Giuseppe-Meazza-Stadion unter. Damals wie heute schüttele ich den Kopf über das gigantische Ausmaß der Verwunderung nach dieser Niederlage.
Genau wie gestern war der Einzug ins Halbfinale der CL nichts weniger als Utopie. Der AC Mailand war damals in Hochform, genau wie Barcelona heute. Bei Bayern lief es im Vergleich zu heute ganz annehmbar – trotz der Unruhe, die der bevorstehende Abgang von Michael Ballack in die Mannschaft gebracht hatte, schien der nächste Meistertitel eine Selbstverständlichkeit zu sein. Wobei man ehrlich zugeben muss: Auch damals waren der FCB nicht überragend, allerdings waren die Konkurrenten nicht in der Lage, die Ausrutscher der Bayern in der Rückrunde (3:0 in Bremen verloren, 0:0 in Wolfsburg, 1:1 in Hannover, 1:2 zuhause gegen den HSV etc.) zu nutzen.
Schon damals hatte ich das elende Gefühl, das wir mit leeren Händen zu einer Schießerei fahren, das es einfach nicht gut gehen konnte, weil es nicht sein durfte.
Damals wie auch heute, waren wir qualitativ unterlegen. Denn: Ein Verein mit ernsthaften und realistischen Ambitionen im europäischen Spitzenfussball kann und darf keine Durchschnittsspieler vom Schlage eines Lell, Schweinsteiger, Altintop, Borowski, Oddo oder van Bommel im Kader haben.
Dazu ist Trainer Klinsmann nicht der Hauptschuldige an dieser Krise, er ist allerdings auch von jeglicher Beteiligung freizusprechen. Seine Personalentscheidungen, wie z.B. der gänzlicher Verzicht auf hochwertige Neuverpflichtungen in der Sommerpause und stattdessen die Ausleihe von Oddo und Donovan, das Theater um van Bommel in der Vorrunde, sowie der Einsatz von Butt anstatt Rensing haben viele Fragezeichen über unseren Köpfen hinterlassen.
Aber: Von Aussen bleibt es schwierig, den Anteil des Trainers und des Vorstandes an den strukturellen Problemen zu erkennen. Hält man sich an die Fakten, erhält man aber auch nicht den Eindruck, das der Verein einer übergeordneten Philosophie, bzw. einem Masterplan folgt.
- Anatoly Tymoschuk kommt, van Bommel und (wohl auch) Ze Roberto bleiben. Dazu steht noch ein Ottl oder ein Borowski als Notnagel bereit.
- Toni Kroos wird an die Pillendreher verliehen, kurz danach ein Baumjohann verpflichtet?
- „Van Bommel auf der Bank“-Theater in der Hinrunde oder eben wie gestern gesehen: Butt für Rensing?
- Ausleihe von Donovan und Oddo? Verkauf von Jansen?
- Die Verpflichtung von Borowski in dieser und Olic in der nächsten Saison
Wenn ihr mich fragt, seht das alles nach einem riesigen Durcheinander aus, bei dem Vorstand und Trainer gegeneinander arbeiten.
Klinsmann scheint in seiner Arbeit vom Vorstand beschnitten worden zu sein, indem der kurzfristige Erfolg – wie immer – über eine ganzheitliche Philosophie gestellt worden ist. Es fehlt den Vereinsoberen, aber auch den zahllosen Bayern-Fans an Geduld für einen großen Umbruch.
Dazu kommt eine furchtbare Überschätzung des vorhandenen Stammpersonals von allen Beteiligten – auch den Spieler selbst. Klinsmann übernahm das komplette Team und behauptete jeden Spieler verbessern zu wollen. Allerdings erlag er einem fatalen Irrtum und hatte damals nicht die Möglichkeit bedacht, daß viele Spieler bereits an Ihrer Leistungsgrenze – und manche sogar darüber hinaus (siehe Altintop letztes Jahr) – gespielt haben. Wie soll also eine Verbesserung möglich sein, wenn die Spieler schon am Ende ihrerer fussballerischen Entwicklung angekommen sind?
Seit dem März 2006 und heute scheint die Vereinsführungs gar nichts dazugelernt zu haben. Immer wieder gehen die gehegten Ambitionen auf peinlichste Art und Weise zu Bruch (man erinnere sich z.B. an die beiden Niederlagen gegen Zenit St. Petersburg). Die Reaktion blieb bisher die gleiche: Mit Geld neue Qualität in die Mannschaft pumpen. National ist diese Rechnung bisher immer aufgegangen. Letztes Jahr hat man sich gänzlich von Investitionen verabschiedet und kassiert nun die Abrechnung für all die Versäumnisse – in der Bundesliga und in der Champions League.
Es stellen sich letztlich dieselben Fragen, wie nach dem Spiel gegen AC Mailand oder den Niederlagen gegen Zenit, daher zitiere ich mich einfach mal selbst:
Die durchwachsenen Leistungen gegen die zweite Wahl der europäischen Klubs führen letzten Endes zu einer großen Frage: Was will man mit dem FC Bayern erreichen? Reicht es den Verantwortlichen, der nationalen Konkurrenz in der Regel zu enteilen, in 4 von 6 Jahren deutscher Meister zu werden und international auf schlechte Tage der Konkurrenz zu hoffen oder will man im nächsten Jahr in der Champions League und dann auch auf Dauer im Konzert der Großen mitmischen?
Gibt man sich mit ersterem zufrieden, reicht es den aktuellen Kader zusammenzuhalten und etwas an den Schwachstellen des Kaders (Sturm, Rechtes Mittelfeld*) zu feilen. Schielt man aber nach größerem Ruhm und Ansehen, muss jede Position und jeder Spieler im Kader schonungslos taxiert, mit verfüg- und bezahlbarer Qualität auf dem Transfermarkt verglichen und bei Durchführbarkeit auch ausgetauscht werden. Insofern ist sogar ein größerer Umbruch als letztes Jahr möglich.
*(heuer kommen noch die Aussenpositionen in der Abwehr dazu) Anm. d. Verf.)